Microservices sind kein Allheilmittel!

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In Zeiten von Agile, DevOps und DDD verändert sich auch die Rolle des Software-Architekten. Wir haben uns mit Ralf D. Müller, darüber unterhalten, wie man als Software-Architekt den richtigen Mix aus Stabilität und Flexibilität findet, welche Impulse von der DevOps-Bewegung ausgehen und wie DDD dabei hilft, wertschöpfende Software zu bauen.

W-JAX: Software-Architektur galt lange als die Disziplin, in Software-Projekten für einen kohärenten Zusammenhang zu sorgen: Es geht darum, Stabilität und Langlebigkeit zu gewährleisten, Standards einzuführen, für Sicherheit zu sorgen, Pläne und Dokumentationen zu erstellen, etc. Heute wird Software-Architektur oft auch anders diskutiert, und zwar im Sinne eines Change Management: Architekturen sollen flexibel, erweiterbar, austauschbar sein. Wie siehst du dich: Wie viel in deiner Arbeit ist Kirchenbauer, wie viel Change Manager?

Ralf D. Müller: Beide Aspekte der Architektur – Stabilität und Flexibilität – müssen wie immer ausgewogen vorhanden sein und bauen aufeinander auf. Erst wenn gewisse Standards existieren und die Vorgehensweise, Schnittstellen etc. dokumentiert sind, lässt sich eine Architektur auch gut ändern, ohne die Stabilität zu riskieren. Deshalb ist es ja auch so wichtig, dass die Architektur gut kommuniziert und die Pfade zur Umsetzung der architekturellen Aspekte ausgetrampelt werden.

Nur wenn jeder im Team weiß, auf was es architekturell ankommt, entsteht die benötigte Stabilität, um später flexibel auf geänderte Anforderungen reagieren zu können. Das arc42-Template von Gernot Starke und Peter Hruschka hilft hier bei der Strukturierung der Dokumentation.

W-JAX: Wie schafft man es, den richtigen Mix aus Stabilität und Flexibilität zu finden? Hast du da vielleicht einen Tipp aus deinen langjährigen Erfahrungen?

Ralf D. Müller: Jedes Projekt ist anders und bringt unterschiedliche Anforderungen bezüglich Stabilität und Flexibilität mit. Deswegen ist es wichtig, einen Blick auf die Requirements zu werfen und nicht einfach eine interessante Architektur eines anderen Projekts zu übernehmen. Die Requirements geben meist vor, welcher Teil der Architektur flexibel und welcher stabil sein muss.

Soll z.B. ein White-Label Produkt erstellt werden, dann ist das Design sicherlich flexibler zu halten als bei einer Anwendung zur internen Verwendung. Aber die beiden Attribute müssen sich auch nicht widersprechen: Erst die Stabilität in den Schnittstellen zwischen wohldefinierten Modulen ermöglicht die Flexibilität zur Änderung einzelner Module.

 

W-JAX: Im Zuge der DevOps-Bewegung erweitert sich das Bild des Software-Architekten noch um eine weitere Facette: Es geht nämlich nicht nur um Anwendungsentwicklung, sondern immer mehr auch darum, wie sich Anwendungen in einer Continuous-Delivery-Landschaft einbetten. „You build it, you run it“ heißt da das Stichwort. Wie hat die DevOps-Bewegung die Rolle des Software-Architekten verändert? Was musst du als Architekt heute anders machen, als früher, als man die Anwendungen noch einfach über den Zaun hin zum Ops-Team geworfen hat?

Ralf D. Müller: Hat man das früher gemacht – Anwendungen einfach über den Zaun hin zum Ops-Team geworfen?  Der Betrieb der Software war schon immer ein wichtiger Aspekt der Architektur. Eine Applikation wird meist länger betrieben, als entwickelt. Somit ist der Aspekt des Betriebs für den Erfolg der Software mindestens genauso wichtig wie z.B. der Aspekt des Clean Code.

Aus meiner Sicht hat sich in diesem Bereich die wichtigste Änderung nicht direkt durch DevOps ergeben, sondern durch die iterativen Entwicklungszyklen eines agilen Projekts. Es gibt nicht mehr das Upfront-Design der Architektur, sondern man kann ein Projekt nun über mehrere Release-Zyklen begleiten. Dadurch sieht der Architekt vor allem, wie die Architektur die Qualitätskriterien des Projekts auch tatsächlich implementiert und kann die Architektur entsprechend anpassen.

W-JAX: Ein weiterer Trend ist aktuell, das Design einer Software stark an den fachlichen Domänen auszurichten. Neben DDD als Theorie erobern gerade Microservices-Architekturen die Praxis. Neben den technologischen Aspekten, die Domänen-fokussierte Anwendungen mit sich bringen, geht es hier zentral auch darum, die beteiligten Leute erst einmal in ein Boot zu holen: Fachexperten, Entwickler und natürlich auch die Geschäftsleitung und Anwender bzw. Kunden. Ist man da als Software-Architekt nicht eigentlich zu 80% Projektmanager? Wie hältst du das persönlich: Wie stark nimmst du die Rolle des Projektmanagers ein, wie viel konzentrierst du dich auf Technologien?

Ralf D. Müller: Es stimmt schon, dass Software-Architektur streckenweise mehr mit Management als mit Technologie zu tun hat. Aber wie bei allem hängt es sehr stark vom eigentlichen Projekt und des Typs „Architekt“ ab, den man verkörpert. Mich selbst würde ich weniger als Projekt-, sondern mehr als Architekturmanager sehen. Die Architektur, die in meinem Kopf ist, muss irgendwie raus in die Umsetzung. Das geschieht durch Dokumentation, Kommunikation und auch Management.

 

 

W-JAX: Auf der W-JAX hältst du einen Talk namens „Docs-as-Code“. Wo liegt der große Unterschied zwischen dem Docs-as-Code-Ansatz, den ihr beschreibt, und der traditionellen Art und Weise, Software zu dokumentieren?

Ralf D. Müller: Der Unterschied ist recht groß und vielfältig. Ich denke, jeder kennt die klassische, mit einer Textverarbeitung erstellte Dokumentation, die getrennt vom Code verwaltet wird. Dokumentation gehört aber, wie Tests auch, zum Code und sollte mit diesem verwaltet werden. Dadurch ist immer klar, wo die aktuelle Version liegt.

Sobald die Dokumentation zusammen mit dem Code verwaltet wird, können auch weitere Aspekte der Softwareentwicklung auf die Dokumentation übertragen werden. So kann z.B. das Aktualisieren von Diagrammen automatisiert im Build umgesetzt und die Dokumentation sogar automatisiert getestet werden. Wird eine Änderung am Code vorgenommen, so gehört es mittlerweile zur Definition of Done, auch die Tests anzupassen. Mit Docs-as-Code wird im gleichen Schritt auch die Dokumentation gepflegt, weil ein Pull-Request sonst nicht als vollständig im Sinne der DoD angesehen wird.

W-JAX: Welchen Trend findest du im Bereich der Software-Architektur momentan besonders spannend – und warum?

Ralf D. Müller: Ich beobachte momentan, wie der Ansatz der Microservices reift. Zum Einen setzt sich die Erkenntnis durch, dass auch Microservices nicht die Lösung für jedes Problem sind und man abwägen muss. Aber auch die Art der Implementierung von Microservices auf der JVM entwickelt sich weiter. So steht mit micronaut.io mittlerweile ein Framework zur Verfügung, welches zielgerichtet auf Microservices hin entwickelt wurde und nicht als Full-Stack Framework entstand. Auch der Serverless-Ansatz ist in diesem Zusammenhang spannend. Solche Entwicklungen sorgen dafür, dass die Arbeit als Software-Architekt immer spannend bleiben wird.

Vielen Dank für dieses Interview!

 

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